Die Vielschichtigkeit von Macht: Ein Plädoyer für bewusstes Handeln und Zusammenarbeit

27. November 2023
Ingo
Awarness | Werte | Wissen


Die Frage nach Macht und ihrem Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen ist ein faszinierendes, aber komplexes Thema. In diesem Artikel möchte ich meine persönlichen Gedanken dazu teilen, ohne den Anspruch auf wissenschaftliche Fundierung. Sollten meine Ausführungen wissenschaftlichen oder anderweitig fundierten Erkenntnissen widersprechen, freue ich mich über Hinweise. Ich lerne gerne dazu und erweitere meinen Horizont kontinuierlich.

Jeder Mensch trägt sein persönliches Set an Macht in sich. Macht ist dabei nicht auf eine einzige Dimension beschränkt, sondern zeigt sich in verschiedensten Facetten. Geld, Einfluss, Wissen, Charisma, Netzwerke, Autorität, körperliche Stärke, Intelligenz, Schönheit, Überzeugungskraft – all diese Elemente formen unsere individuelle Macht.

Diese Macht nutzen wir, um grundlegende Bedürfnisse zu erfüllen: von der Versorgung mit Nahrung, Wasser und Unterkunft über den Wunsch nach Sicherheit, Liebe/Zugehörigkeit, Anerkennung, Selbstverwirklichung bis hin zu sozialer Interaktion, Autonomie und Wertschätzung. In dieser Bedürfnisbefriedigung sind wir voneinander abhängig, da kein Mensch in der Lage ist, sämtliche Bedürfnisse in Isolation zu decken.

Die Dynamik zwischen Menschen wird oft zu einem Tauschhandel, bei dem wir unsere Macht geschickt einsetzen, um mit minimalem Aufwand möglichst viele Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei entsteht ein Konflikt, eine jahrtausendelange Aushandlung, die das Patriarchat hervorgebracht hat. Dieses System beruht auf einer einseitigen Machtkonzentration, vor allem aufgrund körperlicher Stärke, wodurch Menschen mit bestimmten präferierten Merkmalen vermehrt in Führungspositionen gelangten und systemische Unterdrückung etablierten. Diese Unterdrückung betraf nicht nur FINTA*, sondern auch Männer, die nicht an der Spitze der Hierarchie standen und dadurch weiter nach unten gedrängt wurden.
Alternative Verhandlungsprozesse: Ein Überblick

Der fortwährende Aushandlungsprozess führt zu Konflikten, gegenseitiger Bekämpfung und Ausnutzung von Macht, sei es in persönlichen Beziehungen oder sogar in einem virtuellen Chat wie dem der 6+ Community. Diese gesamtgesellschaftliche ständige Auseinandersetzung hat unzählige Todesopfer, sowohl psychisch als auch körperlich Verletzte und Kranke hervorgebracht. Und versetzt uns in den Zustand ständiger Anspannung.

Die Kämpfe manifestieren sich auf verschiedenen Ebenen – Männer gegen Frauen, oben gegen unten, reich gegen arm, rechts gegen links über die (Staats-)Grenzen hinweg.

Ein Ende dieses Kampfes und ein friedliches Miteinander scheinen in weiter Ferne.

Doch wie können wir dieser Spirale entkommen? Hier sind meine Vorschläge:

  1. Selbstreflexion: Jede Person sollte darauf achten, wann sie ihre individuellen „Waffen“ einsetzt. Diese Selbstreflexion kann durch eine einfache Frage gestärkt werden: Handele ich aus Liebe oder aus Angst?
  2. Bewusster Einsatz von Macht: Es ist wichtig, dass wir unsere Macht bewusst einsetzen, um möglichst niemanden zu verletzen. Diese Bewusstheit müssen wir kommunizieren und pflegen.
  3. Neue Regeln des Austauschs: Wir müssen neue Regeln erlernen, wie wir Bedürfnisse austauschen und erfüllen können, ohne einander zu schaden oder auszunutzen. Wenn Verletzungen dennoch auftreten, sollten wir füreinander da sein, aus Liebe und Achtung gegenüber anderen Menschen.
  4. Gegenseitige Abhängigkeit akzeptieren: Es ist essentiell, anzuerkennen, dass wir einander brauchen. Ohne das Wohlwollen anderer werden wir unsere Bedürfnisse nicht decken können. Die Erreichung dieses Zustands erfordert, dass die Menschheit vieles aus Liebe tut. Handelt jemand aus Furcht oder Angst, sollten wir gemeinschaftlich unterstützen, aufklären und nicht erfüllte Bedürfnisse, meistens nach Sicherheit strebend, decken.

In dieser Vision liegt meine Hoffnung für eine Welt, in der bewusstes Handeln, Respekt und Liebe den Ton angeben.

Autor*in

Ingo

Ingo (er/ihm) ist der Initiator der 6+ Community in Stuttgart. In Berlin erlebte er sexpositive Räume, in denen selbstbewusste, selbstwirksame und raumbewusste Personen lebten, die die Vielfalt der Menschen vollständig akzeptierten. Diese Räume zeichneten sich dadurch aus, dass das Setzen von Grenzen und das Akzeptieren eines "Nein" mit Leichtigkeit und in einer Atmosphäre der Unbeschwertheit geschah. Diese Basis schuf eine spürbare Sicherheit für alle Beteiligten. Diese Sicherheit ermöglichte es, dass aus den übereinstimmenden Bedürfnissen und Wünschen von zwei oder mehr Personen Situationen entstanden, die die schönsten zwischenmenschlichen Aktivitäten beinhalteten. Diese Aktivitäten konnten die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Menschen stillen und trugen zu einer glücklichen, entspannenden Atmosphäre bei, die zum Reflektieren, Ausprobieren neuer Dinge, voneinander Lernen und einfach nur Sein einlud. Aus dieser Erfahrung und unter Beibehaltung der Leichtigkeit und des sicheren Raumes speist sich seine Vision für die sexpositive Community. Diese soll eine bunte Vielfalt von Menschen beherbergen, die aus ihren unterschiedlichen Lebensrealitäten voneinander lernen. So soll eine Community entstehen, in der verschiedene Kinks, Vorlieben, Identitäten und Gruppierungen nebeneinander existieren und Schnittmengen bilden können. Diese Einheit soll auf dem geteilten Menschenbild der feministischen Sexpositivität basieren.

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