Frohe Weihnachten: Vom Traum zum Neuanfang

25. Dezember 2024
Ingo
Persönliche Geschichten

Jedes Jahr steht es wieder vor der Tür: Weihnachten, das Fest der Liebe. Die Familie kommt zusammen, es wird gelacht, gemeinsam gekocht und das Festmahl in Harmonie genossen. Drei Tage im Jahr, die unseren „Liebestank“ für die kommenden Monate füllen sollen. Geschenke werden liebevoll überreicht, gegenseitige Hilfe macht die Feiertage zu einem Gemeinschaftserlebnis, und herzliche Umarmungen runden das Fest ab. Ein Weihnachten, wie aus der Werbung – voller Liebe, Anerkennung und wärmender Verbundenheit. Ritualisierte und durch die Werbung zementierte 5 Sprachen der Liebe, die dieses Fest ausmachen.

Doch was passiert, wenn dieser Traum nicht mit der Realität übereinstimmt? Was, wenn die festlichen Tage eher Belastung als Bereicherung sind?

Die Realität meines Weihnachtsfestes

Für mich war Weihnachten lange Zeit eine Tradition, die ihren Sinn verfehlt hat. Je mehr ich über die Jahre hinter die Fassade unserer einstudierten Familien-Choreografie geschaut habe, desto klarer wurde mir, wie wenig von diesem Ideal tatsächlich erfüllt wurde. Statt Lächeln und Liebe gab es oft Missverständnisse, Druck und Frustration.

Stattdessen erlebte ich:

  • Kritik statt Lob und Anerkennung. Die Gespräche waren oft von Vorurteilen oder Erwartungen durchzogen. Die obligatorische Frage nach Enkelkindern, ein Rechtfertigen über die Lebensentscheidungen des Jahres, und selten echtes Zuhören.
  • Stress statt Qualitätszeit. Alles musste perfekt sein – doch niemand wollte wirklich die Energie investieren, die dazugehört. Denn niemand fragte nach, was eigentlich für die Anwesenden perfekt wäre. Stattdessen: ein Hinterherrennen eines idealen Weihnachten, das keiner wollte.
  • Unangenehme Körperlichkeit statt herzlicher Umarmungen. Körperkontakt wurde zu einer Pflichtübung, die sich oft übergriffig anfühlte, statt Geborgenheit zu schenken.
  • Gedankenlose Geschenke statt Wertschätzung. Dinge, die niemand wirklich wollte oder brauchte, wurden verschenkt – sei es der Speck für die Vegetarier*in oder der Portwein für jemanden, der keinen Alkohol trinkt.
  • Erschöpfung statt Hilfsbereitschaft. Nach einer aufreibenden Vorweihnachtszeit waren die Menschen oft zu müde, um wirklich präsent zu sein.

Mein Bruch mit Weihnachten

Irgendwann konnte ich das nicht mehr ertragen. Ich habe mich entschieden, Weihnachten, wie es in meiner Familie und der Gesellschaft gefeiert wird, hinter mir zu lassen. Das ist inzwischen Jahre her. Heute sind die Weihnachtstage für mich vor allem eines: Zeit. Zeit ohne Erwartungen, ohne übermäßige Vorbereitung, ohne Enttäuschungen.

Aber auch das hatte seinen Preis. Plötzlich fehlte ein zentraler Moment des Jahres, ein Fest, das mich an Liebe und Verbundenheit erinnern sollte. Es war, als hätte ich die Magie des Festes komplett aus meinem Leben gestrichen.

Ein Neuanfang mit Liebe und Konsens

Doch was nun? Wir sind soziale Wesen. Wir brauchen Liebe, wir wollen Liebe geben. Ich habe die letzten Jahre genutzt, um neue Wege zu finden, diese Liebe in mein Leben zu integrieren. Sehr viel von dem, was ich im sexpositiven Umgang miteinander schätze: Konsens, radikale Ehrlichkeit, Achtsamkeit, aktives Zuhören, das Rücksicht aufeinander Nehmen. Und am wichtigsten: Die andere Person einfach so zu akzeptieren, wie sie ist oder wie sie sein möchte. Jedes Date mit neuen Menschen in meinem Leben, aber auch das Treffen von Freund*innen, führt dazu, dass ich diese Liebe heute mehr denn je spüren kann.

Es sind die kleinen, alltäglichen Liebesbekundungen, die heute mein Herz erwärmen. Ich umgebe mich mit Menschen, die

  • Konsens und gegenseitiges Einvernehmen schätzen,
  • aktiv zuhören und mich wirklich sehen,
  • Geschenke aus dem Herzen machen, statt aus Pflicht,
  • Hilfe anbieten, weil sie es wollen, nicht weil sie müssen,
  • und deren Umarmungen mein Nervensystem beruhigen, statt es zu belasten.

Mein Wunsch für dich

Ein Weihnachten, wie es zu deinen individuellen Bedürfnissen passt. Beispielsweise mit Menschen, die deine Eigenheiten respektieren, oder in einer Umgebung, die dir Sicherheit und Ruhe schenkt.

Ich wünsche dir ein Weihnachten, das dich fühlt und trägt. Ein Weihnachten mit Menschen, die dich genau so akzeptieren, wie du bist – mit oder ohne Kinder, mit oder ohne Partner*in, mit deinen Träumen und Eigenheiten.

Ein Fest voller liebevoller Geschenke, die zeigen: „Ich kenne dich.“ Ein Fest mit Umarmungen, die Geborgenheit schenken. Ein Fest ohne Stress, sondern mit echter Qualitätszeit.

Liebe ist nichts, das wir erzwingen können durch das ritualisierte Abspielen der 5 Sprachen der Liebe. Sondern wenn wir lieben, reproduzieren wir die 5 Sprachen der Liebe automatisch. Vielleicht sind es auch mehr als 5? Durch einen achtsamen Umgang miteinander können wir das auch in einer nicht gewählten Familie wahrscheinlicher machen. Ein Weihnachten, wie es zu deinen individuellen Bedürfnissen passt, gestaltet nach deinen Wünschen und getragen von Menschen, die dich so akzeptieren, wie du bist. Und denen du in Harmonie genau dasselbe zurückgeben kannst.

Fröhliche Weihnachten!

Frage für dich:
Was bedeutet für dich ein Weihnachten, das wirklich zu deinen Bedürfnissen passt? Teile deine Gedanken und Erfahrungen in den ↓ Kommentaren ↓ ich bin gespannt auf eure Geschichten! 🎄✨

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Autor*in

Ingo

Ingo (er/ihm) ist der Initiator der 6+ Community in Stuttgart. In Berlin erlebte er sexpositive Räume, in denen selbstbewusste, selbstwirksame und raumbewusste Personen lebten, die die Vielfalt der Menschen vollständig akzeptierten. Diese Räume zeichneten sich dadurch aus, dass das Setzen von Grenzen und das Akzeptieren eines "Nein" mit Leichtigkeit und in einer Atmosphäre der Unbeschwertheit geschah. Diese Basis schuf eine spürbare Sicherheit für alle Beteiligten. Diese Sicherheit ermöglichte es, dass aus den übereinstimmenden Bedürfnissen und Wünschen von zwei oder mehr Personen Situationen entstanden, die die schönsten zwischenmenschlichen Aktivitäten beinhalteten. Diese Aktivitäten konnten die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Menschen stillen und trugen zu einer glücklichen, entspannenden Atmosphäre bei, die zum Reflektieren, Ausprobieren neuer Dinge, voneinander Lernen und einfach nur Sein einlud. Aus dieser Erfahrung und unter Beibehaltung der Leichtigkeit und des sicheren Raumes speist sich seine Vision für die sexpositive Community. Diese soll eine bunte Vielfalt von Menschen beherbergen, die aus ihren unterschiedlichen Lebensrealitäten voneinander lernen. So soll eine Community entstehen, in der verschiedene Kinks, Vorlieben, Identitäten und Gruppierungen nebeneinander existieren und Schnittmengen bilden können. Diese Einheit soll auf dem geteilten Menschenbild der feministischen Sexpositivität basieren.

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