Was tun bei einem Awareness-Vorfall?

29. Mai 2024
Ingo
Awarness | Psychologie | Werte | Wissen

Ein Awareness-Vorfall kann in vielen verschiedenen Kontexten und Formen auftreten. Es ist wichtig, solche Vorfälle ernst zu nehmen und angemessen zu handeln, um die betroffenen Personen zu unterstützen und eine sichere und inklusive Umgebung zu fördern. Hier sind die Schritte, die man bei einem Awareness-Vorfall unternehmen sollte:

Leitfaden: Was tun bei einem Awareness-Vorfall?

Sofortige Unterstützung und Sicherheit gewährleisten

  1. Beruhigung und Unterstützung bieten: Wenn jemand Opfer eines Awareness-Vorfalls wird, ist es wichtig, die betroffene Person sofort zu beruhigen und emotionale Unterstützung zu bieten. Zeige Empathie und höre aktiv zu, ohne voreilige Schlüsse zu ziehen oder die Erfahrungen der Person zu relativieren. Sollte der Vorfall auf einem Event mit Awareness-Personal stattgefunden haben, informiere das Awareness-Team. Dieses ist für genau solche Vorfälle geschult eine psychische Sicherheit zu unterstützen. Für den digitalen Raum informiere das Awareness-Team über den Awareness-Chat.
  2. Physische Sicherheit herstellen: Stelle sicher, dass die betroffene Person in einer sicheren Umgebung ist. Wenn der Vorfall in einem physischen Raum passiert ist, entferne entweder die betroffene Person oder die gewaltausführende Person aus der Situation, um weiteren Schaden zu verhindern.

Vorfall dokumentieren

  1. Detaillierte Aufzeichnung des Vorfalls: Dokumentiere den Vorfall so detailliert wie möglich. Notiere Datum, Uhrzeit, Ort, beteiligte Personen und eine genaue Beschreibung dessen, was passiert ist. Die Dokumentation ist wichtig, falls eine strafrechtlich relevante Gegebenheit vorliegt. Dies kann jedoch in der Situation oft nicht direkt erkannt werden.
  2. Vertraulichkeit wahren: Gehe sensibel mit den Informationen um und bewahre Vertraulichkeit. Teile die Details des Vorfalls nur mit den Personen, die unmittelbar involviert sind oder Verantwortung tragen. Vor allem die gewaltausführende Person und die betroffene Person sollten vorerst anonym bleiben.

Professionelle Hilfe und Ressourcen einbeziehen

  1. Beratungs- und Unterstützungsangebote vermitteln: Informiere die betroffene Person über verfügbare Unterstützungs- und Beratungsangebote. Dies können interne Ressourcen, wie eine Vertrauensperson oder ein Awareness-Team, oder externe Stellen, wie Beratungsstellen oder Helplines, sein.
  2. Konsequenzen für die gewaltausführende Person abwägen: Es gilt, einen Weg zu finden, wie ein Schutz vor weiteren Übergriffen durch die gewaltausführende Person gewährleistet werden kann.

    Sollte die Person uneinsichtig sein, die Gewalttat bewusst ausgeführt haben oder ihren Anteil an der verletzenden Handlung abstreiten, müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Diese Maßnahmen haben das Ziel, andere Menschen vor weiteren Gewalttaten dieser Person zu schützen. Spätestens hier ist eine Person oder ein Organ, das die Befugnis hat, (bspw. eine Person aus der Community zu entfernen oder die benötigten Maßnahmen durchzusetzen) zu informieren. Sofern dies nur innerhalb der Community möglich ist, sollte dies umgehend durchgeführt werden. Auch eine strafrechtliche Relevanz sollte in Betracht gezogen werden. Diese Vorgehensweise ist jedoch zwingend mit der betroffenen Person abzusprechen, da sie als Hauptzeugin und Klägerin diesen Prozess aus freien Stücken mittragen und miterleben muss.

    Sollte die Person einsichtig sein und selbstständig Maßnahmen ergreifen, die eine Wiederholungswahrscheinlichkeit verringern (z.B. Zurückhaltung üben, Einsicht zeigen, therapeutische Unterstützung, Teilnahme an geeigneten Workshops), sollte unter Beobachtung diese Chance gewährt werden. Eine Person, die wirklich ihre gewaltausführende Tat einsieht, wird davon betroffen sein. Es gilt auch hier, Unterstützungen anzubieten, um die Situation für eine Weiterentwicklung der Person zu nutzen. Es ist wichtig, im Hinterkopf zu behalten: Jede Person kann Fehler machen. Eine blinde Bestrafung dieser Person durch beispielsweise Ausschluss lässt die Person nichts aus der Situation lernen. Sofern die Sicherheit der betroffenen Person und anderer dies zulässt, sollte eine gewaltausführende Person weiterhin anonym bleiben und aus der Fehler-Situation etwas lernen.

Prävention und Aufarbeitung

  1. Awareness-Training und Workshops anbieten: Nutze den Vorfall als Gelegenheit, das Bewusstsein in der Gemeinschaft zu schärfen. Biete Trainings und Workshops an, um alle Mitglieder über Awareness und den Umgang mit Diskriminierung und Gewalt zu informieren.
  2. Richtlinien und Maßnahmen überprüfen: Überprüfe die bestehenden Richtlinien und Maßnahmen im Hinblick auf Awareness und Diskriminierung. Stelle sicher, dass sie effektiv sind und aktualisiere sie bei Bedarf. Dies könnte die Einführung klarer Verhaltenskodizes und Meldeverfahren umfassen.
  3. Kommunikation und Transparenz: Informiere die Gemeinschaft transparent über den Vorfall (natürlich unter Wahrung der Anonymität der betroffenen Person) und die getroffenen Maßnahmen. Dies fördert das Vertrauen und zeigt, dass Vorfälle ernst genommen werden.

Nachsorge

  1. Langfristige Unterstützung anbieten: Biete der betroffenen Person langfristige Unterstützung an. Dies kann regelmäßige Gespräche, Zugang zu psychologischer Hilfe oder Unterstützung bei der Rückkehr in den Alltag umfassen.
  2. Ergebnisse evaluieren: Evaluiere die getroffenen Maßnahmen und deren Wirksamkeit. Hole Feedback von der betroffenen Person und anderen Beteiligten ein, um kontinuierlich zu lernen und Verbesserungen vorzunehmen.

Durch diesen Leitfaden hoffen wir, das Bewusstsein und die Handlungsfähigkeit in unserer Gemeinschaft zu stärken und einen Beitrag zu einer gerechteren und sichereren Gesellschaft zu leisten.

Fazit

Ein Awareness-Vorfall erfordert schnelles und entschlossenes Handeln, um die betroffene Person zu unterstützen und weitere Schäden zu verhindern. Durch proaktive Maßnahmen, wie die Förderung von Awareness-Training und die ständige Überprüfung und Verbesserung von Richtlinien, kann eine Gemeinschaft gestärkt und sicherer gemacht werden. Wichtig ist, dass jede Person innerhalb dieser Gemeinschaft die Verantwortung übernimmt, ein sicheres und respektvolles Umfeld zu fördern und zu schützen.

Autor*in

Ingo

Ingo (er/ihm) ist der Initiator der 6+ Community in Stuttgart. In Berlin erlebte er sexpositive Räume, in denen selbstbewusste, selbstwirksame und raumbewusste Personen lebten, die die Vielfalt der Menschen vollständig akzeptierten. Diese Räume zeichneten sich dadurch aus, dass das Setzen von Grenzen und das Akzeptieren eines "Nein" mit Leichtigkeit und in einer Atmosphäre der Unbeschwertheit geschah. Diese Basis schuf eine spürbare Sicherheit für alle Beteiligten. Diese Sicherheit ermöglichte es, dass aus den übereinstimmenden Bedürfnissen und Wünschen von zwei oder mehr Personen Situationen entstanden, die die schönsten zwischenmenschlichen Aktivitäten beinhalteten. Diese Aktivitäten konnten die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Menschen stillen und trugen zu einer glücklichen, entspannenden Atmosphäre bei, die zum Reflektieren, Ausprobieren neuer Dinge, voneinander Lernen und einfach nur Sein einlud. Aus dieser Erfahrung und unter Beibehaltung der Leichtigkeit und des sicheren Raumes speist sich seine Vision für die sexpositive Community. Diese soll eine bunte Vielfalt von Menschen beherbergen, die aus ihren unterschiedlichen Lebensrealitäten voneinander lernen. So soll eine Community entstehen, in der verschiedene Kinks, Vorlieben, Identitäten und Gruppierungen nebeneinander existieren und Schnittmengen bilden können. Diese Einheit soll auf dem geteilten Menschenbild der feministischen Sexpositivität basieren.

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