Aufgepasst, liebe Menschen mit Vulva und Vagina – oder Menschen, die an deren Wohlergehen Interesse haben – also eigentlich (hoffentlich) alle! Leider ist es immer noch so, dass viel zu wenig über die gute Pflege dieses wunderbaren Körperteils informiert wird. Stattdessen gibt’s dafür in der sexnegativen Mainstreamgesellschaft oft Scham und Schweigen und parfümierte Slipeinlagen (Spoiler Alert: eine ganz schlechte Idee!).
Gerade wenn mensch gerne und viel sexuell aktiv ist (aber auch unabhängig davon), ist es aber wichtig, sich gut um die eigene Pussy zu kümmern, um Ungleichgewichten im Ökosystem der Vaginalflora vorzubeugen, sei es bakterieller Art oder in Form von Pilzinfekten. Da die Schreiberin dieser Zeilen selbst jahrelang mit wiederkehrenden Infekten zu kämpfen hatte – und zwar relativ unabhängig von Menge und Art der sexuellen Aktivität – und jetzt seit einigen Jahren keine Probleme hat (yay!), möchte ich meine gesammelte Weisheit zu Schutz- und Vorbeugungsmaßnahmen mit euch teilen. Es wird auch einen Forumsthread dazu geben, wo ihr eigene Tipps und Tricks ergänzen könnt.
Disclaimer: Ich bin keine Medizinerin, ich teile hier nur das Wissen, das ich mir selbst angelesen habe bzw. das meiner eigenen Erfahrung entspringt. Wenn ihr Beschwerden habt, lasst euch immer auch ärztlich beraten, meine gesammelten Tipps sind hauptsächlich zur Vorbeugung gedacht. Letztlich ist Gesundheit immer auch sehr individuell, ich möchte nur Anregungen geben, was ihr alles ausprobieren könnt.
Generelle Hygienemaßnahmen:
Wascht eure Vulva nur mit Wasser. Vulva und Vagina sind selbstreinigende Systeme und brauchen weder Seife noch Duschgel. Im Zweifelsfall (zB während der Menstruation, wenn mensch sich dadurch wohler und frischer fühlt) sind unparfümierte, pH-optimierte Intimwaschlotionen mit Milchsäure aber am besten geeignet.
Tragt am besten nur Baumwollunterhosen (ich bilde mir ein, dass Biobaumwolle sogar noch schonender ist) und wascht diese möglichst bei 60 Grad oder mehr – das tötet nämlich alle nervigen Mikroorganismen ab, die da sind. Tangas sind leider keine so gute Idee, die können Bakterien in der falschen Richtung transportieren. Auch Handtücher, Waschlappen, sonstige Intimtextilien sollten möglichst heiß gewaschen werden. Wenn das nicht geht (zB vertragen die mir bekannten Sexdecken, Menstruationshosen, oder auch Badeanzüge und Bikinis o.ä. oft nur 30-40 Grad), empfiehlt sich ein Hygienespüler. Wichtig ist natürlich auch, die Wäsche dann möglichst schnell zu trocknen.
Tragt nach Möglichkeit keine Slipeinlagen, wenn nötig am besten auch wieder die Biobaumwollvariante, niemals parfümierte. An Menstruationsprodukten kann ich Menstruationstassen oder -discs empfehlen, Tampons trocknen leider die Schleimhaut aus, davon rate ich ab. Menstruationshöschen oder Binden sind auch eine gute Alternative. Alles, was hiervon waschbar und wiederverwendbar ist, sollte laut Anleitung gepflegt werden (auskochen / möglichst heiß in die Waschmaschine).
Wer ohne anderen Anlass (ärztlich abklären lassen, gerade ab Mitte 30 können das schon Hormonveränderungen sein!) Trockenheitsgefühle oder speziell nach dem Sex ein gewisses Beanspruchtheits-Empfinden an der Vulva hat, kann die Haut mit möglichst milder Creme pflegen – hier bietet sich Vaseline an, oder Jojobaöl, oder auch spezielle Intimpflegecreme aus der Apotheke (zB deumavan). Achtung: ölbasierte Substanzen sollten nicht in Kontakt mit Kondomen kommen, da sie diese spröde machen und sie dann leichter reißen können.
Bezüglich der Intimfrisur habe ich die Erfahrung gemacht, dass Rasieren die Haut zu sehr reizt und ich mich mit per Schere oder Langhaarschneider getrimmter Behaarung am wohlsten fühle, das ist aber sehr individuell.
Sexuelles:
Verschiedentlich wird über Korrelation zwischen hormoneller Verhütung und Pilzinfektionen oder sonstigen Imbalanzen in der Vaginalflora berichtet. Das hat auch meine eingeschränkte Erfahrung dazu bestätigt – wenn ihr zuverlässige Alternativen habt, mit denen ihr euch wohlfühlt, kann es sich lohnen, auf hormonelle Verhütungsmaßnahmen zu verzichten. Spermizide sind auch nicht unbedingt die beste Idee, weil auch sie auf die Vaginalflora einen negativen Einfluss haben.
Bei penetrativem Sex: immer mindestens so viel Gleitgel verwenden, wie ihr als nötig empfindet, eher sogar mehr. Ich habe für mich festgestellt, dass glyzerinfreies Gleitgel verträglicher ist.
Für mich hat sich auch bewährt, relativ zeitnah nach jedem sexuellen Kontakt aufs Klo zu gehen und meine Vulva zu waschen (und ggf. einzucremen, siehe oben). Die Hautflora der Sexualpartner:innen, egal von welcher Körperstelle, kann die eigene Hautflora durcheinanderbringen, besonders wenn mensch gerade erst dabei ist, sich neu kennenzulernen (ooooder auch wenn mensch eine:n Sexualpartner:in hat, der/die gerade andere neue Kontakte knüpft!). Eventuell gibt es dann am Anfang Probleme, die sich aber im Laufe der Beziehung durch Gewöhnung der Immunsysteme aneinander verflüchtigen. Gerade in der Anfangsphase hilft es, Mannose vorbeugend gegen Harnwegsinfekte einzunehmen (gibt’s in der Drogerie, alternativ Cranberrypräparate – da ist das Gleiche drin). Generell gilt, dass jede Form von Fluid Sharing, also Kontakt mit Körperflüssigkeiten, den pH-Wert der Vagina kurzzeitig verändert und das eine Wirkung darauf hat, welche Mikroorganismen gut gedeihen. Wer chronisch wiederkehrende Probleme mit Pilz- oder Bakterieninfekten hat, sollte nicht nur selbst behandeln, sondern auch alle Sexualpartner:innen sollten sich überprüfen und ggf. behandeln lassen (und zwar an allen Körperstellen, die als Übertragungsvektoren in Frage kommen!).
Schwimmen, Therme, Sauna:
Ich versuche, nicht häufiger als zweimal pro Woche Schwimmen zu gehen oder zu saunieren. Wenn möglich, bevorzuge ich nicht-chloriertes Wasser – also Naturgewässer, Öko-Schwimmbäder, oder Mineral- und Thermalbäder, denn Chlor, auch wenn es desinfiziert, reizt besonders die empfindlichen Schleimhäute. Meerwasser ist übrigens am besten – mir hat sogar mal ein Frauenarzt den Tipp gegeben, Sitzbäder in Salzwasser als vorbeugende Maßnahme gegen Pilzinfektion zu nehmen. Auch vor und nach dem Baden ist es eine gute Idee, sich einzucremen (siehe oben).
Wenn ich länger im Freibad oder am Strand bin, nehme ich mehrere Badeanzüge oder Bikinis mit und ziehe zwischendurch trockene Badesachen an.
Generelle Gesundheitstipps:
Ich nehme täglich Laktobakterien als Supplement, da gibt es spezielle für die Vaginalgesundheit, aber auch allgemeine für die Darmgesundheit. Beide sind meiner Erfahrung nach hilfreich, aber ein ordentlicher Kostenpunkt – die Anwendung geht aber auch als temporäre Kur, zB wenn mensch eine Antibiotikagabe hinter sich hat. Antibiotika bringen nämlich die gesamte Haut-, Darm- und Vaginalflora potenziell durcheinander. Wer welche nehmen muss, kann beim Arzt fragen, ob Laktobakterien und auch ein Anti-Pilz-Mittel, z.B. Nystatin, gleich mit verschrieben und eingenommen werden können. Außerdem gibt es auch Zäpfchen mit Laktobakterien, die mensch in die Vagina einführen kann – am besten funktioniert das in der ersten Zyklushälfte, da hier die Bedingungen fürs Gedeihen der Laktobakterien optimal sind.
Fermentiertes Essen hilft auch für eine gut ausbalancierte Hautflora an allen Stellen – also zB Kimchi, Sauerkraut, Kombucha, Joghurt (vor allem Naturjoghurt mit aktiven Kulturen). Es soll auch helfen, einen eigenen Sauerteig zu pflegen und damit zu backen, das kann ich allerdings nicht bestätigen. Generell ist natürlich eine ausgewogene, nicht zu zuckerhaltige Ernährung hilfreich, wobei für mich persönlich eine komplett zuckerfreie Ernährung keinen positiven Einfluss hatte (Genuss ist halt auch wichtig ;)). Wer chronisch Probleme mit der Haut oder Verdauung hat, tut auch gut daran, mögliche Allergien und Unverträglichkeiten abklären zu lassen – manches davon ist beim Arzt testbar, anderes leider nur zu beobachten, fragt in dem Fall erst mal die Experten. Solltet ihr Allergien/Unverträglichkeiten haben, hilft ein guter Umgang damit auch der Haut- und Vaginalgesundheit – das kann bedeuten, bestimmte Duft- oder Konservierungsstoffe zu vermeiden, bestimmte Nahrungsmittel nicht mehr oder seltener zu essen, oder aber per Hyposensibilisierung entgegenzuwirken. Hier verweise ich auf die ärztlichen Experten.
Zum Abschluss: Lasst euch nicht von Scham oder Stress ins Bockshorn jagen. Damit hatte ich selbst lange Probleme und meine Lebensqualität wie auch meine Gesundheit besserten sich schlagartig, als ich diese loslassen konnte. Wenn mensch mal Beschwerden hat, ist das zwar unangenehm, aber es bedeutet weiter nichts. Ungleichgewichte passieren halt, aber es gibt, wie ihr gesehen habt, eine ganze Reihe an vorbeugenden Maßnahmen, und für den Ernstfall gibt es Medikamente und ärztlichen Rat.
Habt ihr noch Fragen, eigene Erfahrungen, weitere Tipps und Tricks? Diskutiert dazu gerne hier im Forum mit: https://sexpositiv-stuttgart.de/forum/topic/pussy-health-guide/