BDSM: Ein Blick in die Geschichte, Entwicklung und Verantwortung

9. September 2024
Ingo
Awarness | BDSM | Psychologie

BDSM ist eine Praktik, die in den letzten Jahrzehnten immer mehr Aufmerksamkeit und Akzeptanz gefunden hat. Doch was genau steckt dahinter? BDSM steht für Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism. Es umfasst ein breites Spektrum an einvernehmlichen sexuellen und nicht-sexuellen Aktivitäten, bei denen Macht, Kontrolle und Schmerz eine zentrale Rolle spielen können. In diesem Artikel beleuchten wir die historischen Ursprünge, die Entwicklung des BDSM, Institutionen, Risiken bei nicht einvernehmlichen Praktiken und die Verantwortung, die bei der Auswahl von Partner*innen und Seminaren erforderlich ist.

Erste Erwähnungen in der Geschichte

Die Geschichte von BDSM reicht weiter zurück, als viele denken. Bereits in der Antike gab es Hinweise auf das Praktizieren von Machtspielen und Schmerzen in erotischen Kontexten. Im alten Rom und Griechenland waren solche Praktiken nicht unüblich, oft in Ritualen oder religiösen Zeremonien eingebettet. Ein Beispiel ist die Verwendung von Flagellation (Peitschenhieben), die sowohl zu religiösen als auch erotischen Zwecken eingesetzt wurde.

Ein frühes literarisches Werk, das mit BDSM-Praktiken in Verbindung gebracht wird, ist “Justine oder das Unglück der Tugend” (1791) von Marquis de Sade, dessen Name für den Begriff “Sadismus” Pate stand. Gleichzeitig wurde der Begriff “Masochismus” nach dem Schriftsteller Leopold von Sacher-Masoch geprägt, der in seinem Roman “Venus im Pelz” (1870) Machtspiele und die Lust am Unterworfenwerden thematisierte.

Die Entwicklung über die Zeit

Mit der Zeit hat sich BDSM von geheimen Praktiken hin zu einer anerkannten Subkultur entwickelt. In den 1940er und 1950er Jahren wurde BDSM vor allem in den USA und Europa zunehmend sichtbar, oft in Form von erotischen Fotografien und Fetisch-Magazinen. In den 1970er Jahren, parallel zur sexuellen Revolution, fanden erste BDSM-Communities und Clubs ihren Weg in die Öffentlichkeit. BDSM wurde zu einem akzeptierten Teil der alternativen sexuellen Identitäten.

In den 1990er Jahren entstand eine globale Online-Community, die es Menschen ermöglichte, sich anonym über ihre BDSM-Vorlieben auszutauschen und Wissen zu teilen. Plattformen wie FetLife ermöglichten es, Kontakte zu knüpfen und Teil von Communities zu werden. Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, BDSM zu entmystifizieren und zugänglicher zu machen.

Institutionen wie SMJG und IG-BDSM

BDSM ist heute gut organisiert, und es gibt zahlreiche Institutionen und Vereine, die Menschen unterstützen, die sich für diese Praktiken interessieren. Zwei wichtige Institutionen im deutschsprachigen Raum sind:

  • SMJG (Schule und Jugendgruppen): Diese Organisation richtet sich speziell an Jugendliche und junge Erwachsene (bis 27 Jahre), die sich mit BDSM beschäftigen. SMJG bietet einen sicheren Raum, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, Fragen zu stellen und sich über BDSM zu informieren. Durch regelmäßige Stammtische und Online-Foren wird ein verantwortungsvoller Umgang mit BDSM gefördert.
  • IG-BDSM (Interessengemeinschaft BDSM): Diese Organisation setzt sich für die Interessen und das Wohl von BDSM-Praktizierenden ein. Sie fördert Aufklärung, Schutz der Rechte und verantwortungsvollen Umgang mit BDSM und bietet Veranstaltungen und Seminare an, um BDSM in einem sicheren Rahmen zu praktizieren.

Nicht-konsensueller Machtmissbrauch durch BDSM

BDSM basiert auf klarer Zustimmung und respektvollem Umgang mit den Partner*innen. Ein oft wiederholtes Mantra in der BDSM-Community lautet “Safe, Sane, and Consensual” (Sicher, gesund und einvernehmlich). Dennoch gibt es immer wieder Fälle von Machtmissbrauch und nicht einvernehmlichen Handlungen, die oft aus Unwissenheit, mangelnder Reflexion oder der Missachtung von Grenzen resultieren.

Unreflektierte Menschen, die BDSM-Praktiken ausprobieren, ohne sich über die psychologischen und physischen Auswirkungen im Klaren zu sein, oder jene, die den Konsens ihrer Partner*innen nicht respektieren, können erheblichen Schaden anrichten. Viele unterschätzen die psychologischen Dynamiken, die hinter BDSM stehen. Eine “Einfach mal machen”-Mentalität kann schnell in Machtmissbrauch umschlagen, wenn klare Absprachen fehlen oder die Beteiligten nicht wissen, was sie tun.

Das größte Risiko besteht in Situationen, in denen Menschen ohne das nötige Wissen über BDSM und die Bedeutung von Konsens an die Praktiken herangehen. “Besser mal erklären lassen” ist hier der Schlüssel. Die Teilnahme an Workshops und das Einholen von Wissen über Grenzen, Konsens und sichere Techniken ist unerlässlich, um BDSM verantwortungsvoll zu praktizieren.

Eigenverantwortung und die Auswahl von Spielpartner*innen

Die Wahl der richtigen Spielpartner*innen ist entscheidend, um BDSM sicher und respektvoll zu erleben. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, sorgfältig auszuwählen, mit wem er oder sie diese intimen und potenziell verletzlichen Praktiken teilt. Kommunikation ist das A und O. Bevor man sich auf BDSM-Szenarien einlässt, sollten klare Absprachen getroffen werden, um sicherzustellen, dass beide Seiten ihre Wünsche und Grenzen verstehen.

Es gibt auch viele unterstützende Netzwerke, wie die oben genannten Institutionen, wo man sich mit erfahrenen Praktizierenden austauschen und Rat holen kann. Plattformen wie FetLife oder Stammtische bieten die Möglichkeit, in einem sicheren Rahmen Menschen kennenzulernen, die ähnliche Interessen haben.

BDSM-Seminare

Für Menschen, die sich intensiver mit BDSM beschäftigen oder die Grundlagen erlernen möchten, gibt es eine Vielzahl von Seminaren und Workshops. Diese bieten nicht nur die Möglichkeit, Techniken sicher zu erlernen, sondern auch die psychologischen und emotionalen Aspekte von BDSM besser zu verstehen.

Ein Beispiel hierfür ist die BDSM Manufaktur in Esslingen. Die Manufaktur bietet regelmäßig Workshops für Anfängerinnen und Fortgeschrittene an. Die Themen reichen von Fesseltechniken (Bondage) über die sichere Anwendung von Peitschen und anderen BDSM-Werkzeugen bis hin zu emotionalen und psychologischen Themen, wie Dominanz und Unterwerfung in gesunden Beziehungen zu leben. Diese Seminare legen großen Wert auf Sicherheit, Einvernehmlichkeit und Respekt und bieten den Teilnehmerinnen die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen zu lernen und Erfahrungen zu sammeln.

Fazit

BDSM ist eine vielschichtige und intime Praxis, die sowohl psychologische als auch körperliche Aspekte umfasst. Die historische Entwicklung zeigt, dass BDSM sich von einer tabuisierten Praktik hin zu einer anerkannten Subkultur entwickelt hat. Institutionen wie die SMJG oder die IG-BDSM unterstützen Interessierte dabei, BDSM auf sichere und einvernehmliche Weise zu erkunden.

Dennoch birgt BDSM auch Risiken, insbesondere wenn es ohne das nötige Wissen oder den Respekt vor den Grenzen der Beteiligten ausgeübt wird. Machtmissbrauch und nicht einvernehmliche Praktiken stellen eine Gefahr dar, wenn Menschen unreflektiert oder ohne ausreichendes Wissen handeln. Verantwortung und achtsame Kommunikation sind entscheidend, um BDSM sicher und respektvoll zu erleben. Wer sich intensiv mit BDSM beschäftigen möchte, sollte den Austausch mit der Community suchen und idealerweise Seminare besuchen, wie sie beispielsweise die BDSM Manufaktur in Esslingen anbietet, um sicherzustellen, dass sie oder er die Praktiken in einem sicheren Rahmen lernt.

Durch die Kombination aus Wissen, Konsens und Respekt kann BDSM eine tiefgehende und bereichernde Erfahrung sein – sowohl für den Körper als auch für den Geist.

Autor*in

Ingo

Ingo (er/ihm) ist der Initiator der 6+ Community in Stuttgart. In Berlin erlebte er sexpositive Räume, in denen selbstbewusste, selbstwirksame und raumbewusste Personen lebten, die die Vielfalt der Menschen vollständig akzeptierten. Diese Räume zeichneten sich dadurch aus, dass das Setzen von Grenzen und das Akzeptieren eines "Nein" mit Leichtigkeit und in einer Atmosphäre der Unbeschwertheit geschah. Diese Basis schuf eine spürbare Sicherheit für alle Beteiligten. Diese Sicherheit ermöglichte es, dass aus den übereinstimmenden Bedürfnissen und Wünschen von zwei oder mehr Personen Situationen entstanden, die die schönsten zwischenmenschlichen Aktivitäten beinhalteten. Diese Aktivitäten konnten die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Menschen stillen und trugen zu einer glücklichen, entspannenden Atmosphäre bei, die zum Reflektieren, Ausprobieren neuer Dinge, voneinander Lernen und einfach nur Sein einlud. Aus dieser Erfahrung und unter Beibehaltung der Leichtigkeit und des sicheren Raumes speist sich seine Vision für die sexpositive Community. Diese soll eine bunte Vielfalt von Menschen beherbergen, die aus ihren unterschiedlichen Lebensrealitäten voneinander lernen. So soll eine Community entstehen, in der verschiedene Kinks, Vorlieben, Identitäten und Gruppierungen nebeneinander existieren und Schnittmengen bilden können. Diese Einheit soll auf dem geteilten Menschenbild der feministischen Sexpositivität basieren.

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